Was die Stunde geschlagen hat
Die Stiftung unterstützte die Turmuhrreparatur der Martin-Luther-Kirche
Seit der Kirchweihe schlägt das Uhrwerk der Martin-Luther-Kirche zur Morgen-, Mittags- und Abendstunde zuverlässig. Denn mehr als hundert Jahre seien im Grunde noch kein Alter für eine Turmuhr, erklärt ihr Wärter Andreas Vogler. Dessen älteste Pflegekinder sind noch handgeschmiedet und stammen aus der Zeit Augusts des Starken. 1887 hatte der Königliche Hoflieferant und Inhaber der größten sächsischen Uhrenfirma, Bernhard Zachariä aus Leipzig, das Uhrwerk für die Gemeinde in der Äußeren Neustadt gebaut. Seitdem schlägt zu jeder vollen Stunde schlägt ein vom Gehwerk gesteuerter und vom Schlagwerk getriebener Hammer an die tiefste der drei Glocken. Täglich um 19 Uhr ist ihr rundes d’ auch als Geläut zu hören. Morgens um sieben erklingt in a’ die kleinste, die ebenfalls aus dem porösen Nachkriegsstahl von 1951 gefertigt ist. Die Weltkriege hatten Kanonenfutter gefordert. So ist die bronzene Glocke von 1920 mit ihrem warmen fis’, das die Mittagszeit einläutet, heute die älteste im Kirchturm am Martin-Luther-Platz. Ein zweites Schlagwerk bediente den Viertelschlag, bis man ihn wegen der Beschwerden entnervter Nachbarn 1980 abschaltete.
Bis kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges mussten die Gewichte täglich von Hand aufgezogen werden. Seither übernimmt ein elektrischer Motor diese Arbeit, sodass der Kirchner nur noch gelegentlich hinaufsteigt, um nach dem Rechten zu sehen.
Sammler liebäugelten mit den erhaltenen Unikaten im Osten
Da mechanische Turmuhren praktisch nicht mehr neu gebaut werden und zu ihrer Entstehungszeit viele verschiedene Hersteller existierten, die jeder auf seine Art für die jeweilige Kirche ein eigenes Uhrwerk entwarfen, stellen diese jetzt Unikate dar. In den alten Bundesländern hatte man sie in den 1960/70er Jahren massiv verschrottet und Elektronik eingebaut, sodass private Sammler mit den schönen erhaltenen Stücken im Osten Deutschlands liebäugelten. Eine Verordnung des Landeskirchenamtes stellte den gefährdeten Bestand in Sachsen 1996 endlich unter Schutz.
Zu dieser Zeit zeigten sich auch die ersten Abnutzungserscheinungen, nicht am Gehwerk, sondern an den Zifferblättern. In 50 Metern Höhe sind sie jedem Wetter ausgesetzt und bedurften 1996 schließlich einer dringenden Erneuerung. Die Wiederherstellung dieses technischen Denkmals finanzierten Landeskirche und Denkmalpflege des Regierungspräsidiums mit jeweils 6.000 DM. Den offen gebliebenen Kostendeckungsbetrag von 3.000 DM übernahm die Stiftung.
Der beauftragte Andreas Vogler erkletterte von der Galerie aus eine sieben Meter hohe Leiter und demontierte mit Hilfe eines Flaschenzuges die jeweils 80 Kilogramm schweren Zifferblätter von 2,25 Metern Durchmesser. Alle vier verzinkten Stahlbleche wurden gestrahlt, neu lackiert und auf die gleiche Art wieder angebracht. Auch die Zeigerpaare und das Getriebe überholte der Handwerker. Seither können Bewohner und Besucher des Stadtteils am stadtbildprägenden Kirchturm wieder die Zeit ablesen, zum Beispiel wenn sie zu einem der Konzerte mit Jehmlich-Orgel und Bachchor strömen.