Die weibliche Seite der Geschichte
Die Stiftung förderte eine Publikation über Neustädter Fraue
„Von Maria bis Mary – Frauengeschichten aus der Dresdner Neustadt“, so heißt Una Gieseckes Rundgangsangebot bei igeltour und die zugehörige Publkation. Getragen wurde das Forschungsprojekt vom Verein für regionale Politik und Geschichte Dresden e.V., zu dem igeltour als Arbeitskreis gehört. Er ist übrigens Mitglied jener Wohngenossenschaft in der Pulsnitzer Straße 10, aus deren Mittelrückflüssen sich einst das Hauptkapital der Stiftung bildete.
Die Idee, historische Frauenforschung vor Ort zu betreiben, trug Una Giesecke1994 an den Verein heran. Sie hatte schon in der IG Äußere Neustadt, der Bürgerinitiative des Stadtteils, einen Rundgang durch das Sanierungsgebiet entwickelt und an der durch die Stiftung mitgeförderten Ausstellungsdokumentation der Geschichtsgruppe mitgearbeitet. Dabei war sie auf das vernachlässigte Thema gestoßen.
Im Laufe einer zweijährigen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) entstand aus akribischer Sammeltätigkeit in Stadtarchiv, Landesbibliothek, Frauen- und Privatarchiven zum Frauentag am 8. März 1995 der erste Stadtteilspaziergang. Im zweiten Jahr stieß ebenfalls per ABM Raja Lentzsch hinzu. Die beiden Neustädterinnen erweiterten die Führung um einen zweiten Teil, leiteten Projekttage am Dreikönig-Gymnasium, hielten Diavorträge und gestalteten eine Ausstellung. 1996 kam die Schriftstellerin Jayne-Ann Igel für ein Jahr hinzu. Una Giesecke forschte auch nach Auslaufen ihrer ABM-Stelle ehrenamtlich weiter, fand einen Verlag und Geldgeber. Das Regierungspräsidium, die kommunale Gleichstellungsstelle und die Stiftung beteiligten sich paritätisch mit jeweils 4.000 DM an den Kosten.
1998 konnten die Autorinnen das Buch der Öffentlichkeit präsentieren. Es gewährt Einblicke in die weibliche Seite der Geschichte, in die Lebensumstände und das politische und soziale Umfeld der Neustädter Frauen, anhand bisher teils unveröffentlichter Bild- und Textdokumente. Alltag, Lebensumstände und das Wirken von Neustädterinnen für andere und für sich stehen neben Biografien bedeutender Persönlichkeiten wie Maria Reiche und Mary Wigman und weniger bekannten Schicksalen. Da liest man von der Neustädter Schuldirektorin Anna Nolden, lernt die erste Regierungsrätin Sachsens Else Ulich-Beil kennen und erfährt vielleicht zum ersten Mal etwas über die aus der Pfundschen Familie stammende Malerin Charlotte Tesdorpf. Auch weibliche Ehrenamtlichkeit von der adligen Wohltätigkeit bis zum unbezahlten Engagement der Nothelferinnen in den Nachkriegsjahren wird gewürdigt.
Somit hat dieses Förderprojekt der Stiftung nicht nur die Identifikation im Stadtteil gestärkt, sondern in seinen historischen Zusammenhängen über die regionale Einbindung hinausgewiesen. 1999 erschien eine zweite erweiterte Auflage. Drei Jahre später überflutete das Jahrhunderthochwasser das Lager des Verlags und vernichtete die unverkauften Bestände. In Bibliotheken und im Frauenstadtarchiv ist das Werk bis heute zu finden.