Lebensmitte(l) in der Schönfelder

Die Stiftung ließ historische Glaswerbetafeln rekonstruieren
Foto: Una Giesecke

Die Stiftung ließ historische Glaswerbetafeln rekonstruieren

Den kleinen Laden in der Schönfelder Straße 4 schmückte wohl schon immer eine Werbeschrift. Auf einer alten Fotografie sind die über und zwischen den Fenstern angebrachten großen Edeka-Glasschilder des Vorgängers Paul Strobel, der das Geschäft in zweiter Generation führte, zu sehen. Ursprünglich beherbergte das Haus eine Bäckerei, seit Ende des 19. Jahrhundert war ein kleiner Colonialwaaren-Handel eines Carl Andreas ansässig. Ab den 1930er Jahren befand sich an der Fassade eine Reklame für die hauseigene Kaffeeröstung, deren Duft damals über der ganzen Straße hing.

Die meist auf Putz gemalten Werbeschriften der Gründerzeit wurden später teilweise von Holztafeln und ab den zwanziger Jahren vielerorts durch Glas ersetzt. Von innen beleuchtete Kästen oder von Hand hintermalte große Scheiben prangten noch Anfang der 1990er Jahre an den Fassaden. Die meisten verschwanden bei Geschäftsaufgaben oder Umzügen, durch Vandalismus oder spätestens bei der Sanierung.

Identitätsstiftende Wirkung im Straßenbild

Dem unsensiblen Umgang mit solch charakteristischen Details ein Beispiel für behutsame Erneuerung entgegenzusetzen, war das erklärte Ziel des Architekturbüros rieger+vogt+börner bei der Sanierung des Hauses der Familie Otto. Diese hatte fast an jedem Wochenende auf dem Bau mitgearbeitet, alte Schuppen abgerissen, Putz abgeklopft, Dielen, Fenster und Türen teilweise aufgearbeitet und den Schutt beräumt. In den Ausbau waren nicht nur sämtliche Sparschweine der Familie eingeflossen, sondern auch Städtebaufördermittel. Für die Wiederherstellung der Werbetafeln aber gab es keine öffentlichen Mittel. So trug die Stiftung Äußere Neustadt die gesamten Kosten für diese Aufwertung der denkmalgeschützten Fassade, die dadurch das Straßenbild identitätsstiftend bereichert. Um die Höhe der bewilligten 7.500 DM nicht zu überschreiten, demontierte und verschrottete Günter Otto den verrosteten Eisenrahmen selbst.

Die damals übliche arbeitsintensive Rasterübertragung eines handschriftlichen Musters hinter das Glas konnte durch eine adäquate Folienschrift per Computer ersetzt werden. Den Schriftzug dafür entwarf Architektin Anke Vogt unentgeltlich. Seit 1996 schmücken die aus Sicherheitsglas gefertigten Werbetafeln im Stil der 60er Jahre das Gebäude mit seiner neogotischen Formensprache des 19. Jahrhunderts. Seit eine Hebammen- und Massagepraxis dort einzog, steht das letzte L von „Lebensmittel“ in Klammern.