Ein offenes Haus für den Stadtteil

Ein offenes Haus für den Stadtteil
Ein offenes Haus für den Stadtteil

Die Stiftung unterstützte die Sanierung für ein selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum

Ein reichliches Jahrhundert nach seiner Errichtung im Jahre 1895 wurde das Wohnhaus mit dem markanten Sitznischenportal aus der Agonie gerissen. An allen Ecken des Grundstücks Prießnitzstraße 18 herrschte Baulärm und Betriebsamkeit, wurde Schutt hinausgetragen, emsig geklopft, gesägt und gebohrt. Vorbei war die Ruinenruhe am dahinter plätschernden Prießnitzbach, seit das private Wannenbad im Keller Ende der 1960er Jahre geschlossen worden war und der letzte Mieter das verfallende Gebäude 1989 verlassen hatte. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse machten in der Nachwendezeit jede Initiative unmöglich. Nur einmal im Jahr – zum BRN-Wochenende – unterbrachen junge Leute den Dämmerzustand und erfüllten Hof und Keller mit Cafébetrieb, Musik und hochfliegenden Träumen.

So tauchte denn auch im Erneuerungskonzept für das Sanierungsgebiet die Prießnitzstraße 18 bereits 1991 als Gemeinbedarf auf. 1993 kaufte die städtische Sanierungsgesellschaft Stesad im Auftrag des Stadtplanungsamtes Haus und Grundstück von den 14 Erben und befragte zwei Jahre später die Bürger, was man sich denn da drin vorgestellt habe. Zögernd nur und spärlich trafen Antwortkarten ein. Wozu sich noch engagieren in einem Stadtteil, der privaten Einzelinteressen überlassen schien.

Den angekratzten Nachbarschaftszusammenhalt pflegen

Das war 1995, die hundertjährigen Mauern schienen an frühere Zeiten zu erinnern. Wäre es nicht schön, an einem Ort, der allen offen steht, den angekratzten Zusammenhalt in der Nachbarschaft zu pflegen, mit Freunden zu feiern oder sich in einer Kneipe zu treffen, die nicht von Touristen bevölkert ist? Das Thema landete auf dem Runden Tisch der Sanierungskommission, die SPD-Ortsgruppe wurde aktiv, auch die Eigentümerin sah längst Handlungsbedarf: Es galt, die Bausubstanz vor dem endgültigen Verfall und die soziale Vielschichtigkeit im Viertel zu bewahren. 1996 kamen endlich Städtebaufördermittel für die Sicherung von Dach und Dachstuhl, Fenstern, Außentüren und Fassade zum Einsatz.

Im Januar 1997 gründeten 18 Leute mit 1.000 DM Unterstützung seitens der Stiftung einen gemeinnützigen Verein in der Absicht, ein selbstverwaltetes stadtteilbezogenes Kultur- und Kommunikationszentrum zu betreiben. Im Auftrag der Stadt schloss die Stesad mit ihnen eine Nutzungsvereinbarung ab und machte die enthusiastischen Anwohner damit de facto zu Bauherren. Sie packten also zu, entrümpelten in ehrenamtlicher Tätigkeit Haus und Hof, verlegten Fußböden und Decken, mauerten, verputzten und malerten Wände.

Die Stadtteilhaus-Idee sprach sich herum, zahlreiche Interessenten fragten an. Während einige der potenziellen Nutzer aufgrund der Bauverzögerungen wieder absprangen, schufen andere durch tatkräftige Mithilfe die Voraussetzungen für eine vorläufige Nutzung des Kellers als Vereinskneipe und des Erdgeschosses für das Vereinsbüro, einen Versammlungsraum und die ersten Räume. Diese mieteten die BUND-Landesgeschäftsstelle Ostsachsen und das BUND-Ökolandbauprojekt.

Subbotniks allein reichen nicht

Inzwischen hatten sich die Bürger im kalten Keller warm geredet. Aber ganz ohne Heizung wird es im Winter eben doch schwierig. Und nur mit ABM-Kräften und wöchentlichen Subbotniks ist kein Haus zu sanieren. In dieser Situation wandte sich der Stadtteilhaus Dresden-Äußere Neustadt e.V. erneut hilfesuchend an die Stiftung. Nachdem die Freiwilligen alle Vorarbeiten unentgeltlich geleistet, die nötigen Durchbrüche gehackt und Kabelkanäle gefräst hatten, waren für den Heizungseinbau in Keller-, Erd- und erstem Obergeschoss sowie die Installation einer Elektroanlage immer noch rund 40.000 DM offen geblieben. Diese Summe, umgerechnet 20.452 Euro, übernahm die Stiftung. Und damit gab es wieder Hoffnung und sichtbare Fortschritte.

1998 kam ein Pachtvertrag zwischen Eigentümerin und Verein zustande, daraufhin flossen weitere Städtebaufördermittel für die Schwammsanierung und zur Mitfinanzierung des Innenausbaus. Inzwischen ist das Haus komplett nutzbar. Heute haben neben Ämtern und Vereinen, darunter der Bürger.Courage e.V., eine überparteiliche Bürgerinitiative gegen Rechtsextremismus, Beratungsangebote; der Gerede e.V., die Interessenvertretung für Schwule, Lesben (Bi- und Transsexuelle) und andere sowie deren Angehörige; ein Theater, eine Food-Coop, eine Keramikwerkstatt und die Kneipe „Oosteinde“ ihren Platz.

www.stadtteilhaus.de